Kõike head, Eesti! – Estland ist jetzt 100!

Geschrieben von Caecilia Lucius

Kõike head, Eesti! Am 24. Februar diesen Jahres war es endlich soweit. Die Republik Estland, der Baltikstaat in Nordosteuropa feierte seinen 100. Geburtstag.

SZ-News gratuliert herzlich und hat sowohl die Feierlichkeiten als auch das Land für euch einmal genauer unter die Lupe genommen.

1918 ging Estland aus dem Zerfall des Russischen Reiches während der Oktoberrevolution als unabhängig hervor. Nach späterer jahrzehntelangen erzwungenen Mitgliedschaft in der Sowjetunion konnte es 1991 erneut seine Unabhängigkeit erklären. Mittlerweile gibt es Estland schon 100 Jahre.

Das haben sich die Esten, die sonst als so ruhiges und zurückhaltendes Völkchen gelten, zum Anlass genommen, kräftig zu feiern.

In diesen Tagen sind viele Plakate mit dem Logo der Einhundertjahrfeier in den Straßen zu sehen. Ebenso ziert es unzählige Lebensmittelverpackungen verschiedenster Konzerne. Es gibt sogar spezielle Estland-Editionen von Produkten.

Der traditionelle estnische Schokoladenhersteller Kalev zum Beispiel verpackt seine Zartbitter-, Vollmilch- und weiße Schokolade in Papier mit den Farben der estnischen Flagge: Schwarz, Blau und Weiß – ein absoluter Hingucker.

Die Farben finden wir auch sonst sehr oft wieder: in Form von kleinen Flaggen und Luftballons an jeder Straßenecke, den Straßenlaternen, Bussen und Wohnhäusern. Die Kombination Blau-Schwarz-Weiß ziert ebenfalls öffentliche Gebäude wie das Rathaus in Tartu in Form von Tüchern und das Parlamentsgebäude in Tallinn mit einer beeindruckenden Lichtprojektion.

Natürlich gehört auch ein ausgefeilter Veranstaltungsplan zu den Feierlichkeiten. In den Monaten um den Geburtstag können thematisch entsprechende Kunst-,Theater- und Filmprogramme erlebt werden.

Außerdem stehen Wander- und Segeltouren auf dem Programm, um Estlands Inneres als auch seine nasse Seite näher kennenzulernen.

Was nicht fehlen darf, sind aber natürlich die Feiern und Parties. Dabei hat jeder Ort, egal ob Stadt, Dorf oder ganze Gemeinde, die Möglichkeit, an einem Tag im Jubiläumsjahr 2018 seine eigene und besondere Festlichkeit auszurichten.

Und was sagen die Esten selbst zu dem großen Geburtstag ihres Landes? Kristina ist 18 Jahre alt und kommt aus Tartu, Estland.

Sie hat SZ-News berichtet: „It is a big thing here. There are special edition chocolates and other products in connection with that. Students are writing essays and giving speeches about it. Even shopping centres are decorated. Everybody is so excited; even I can feel it even though I didn`t really pay attention to this date in the past years. That shows how big and awesome it is this year.“ Zudem gefallen auch ihr die kleinen Details, meistens in Blau-Schwarz-Weiß, die überall zu sehen sind und sie genießt die fröhliche Stimmung.

Ihr seid auf den Geschmack gekommen und wollt noch mehr über Estland erfahren? Dann ist unser Akrostichon über E-S-T-L-A-N-D genau das Richtige für euch!

EEesti ist der landessprachliche, also estnische Name des nördlichsten und kleinsten der drei baltischen Staaten, der an Lettland und Russland grenzt und zudem über 3.500 Kilometer Küstenlinie zur Ostsee besitzt. Auf rund 45.000 Quadratkilometern Fläche sind 1,3 Millionen Menschen zu Hause. Damit hat das Land gerade mal die Größe Niedersachsens und nicht ganz so viele Einwohner wie München. Was Estland anderen Staaten an Größe zurückliegt, das ist es dem Rest der Welt sprachlich gesehen, was die Menge der in den Worten enthaltenen Vokale betrifft, voraus. „Aa“, „ii“ oder zum Beispiel auch „üü“ sind keine Fehler der Tastatur, sondern drücken in der estnischen Sprache die Länge eines Lautes aus.

Wer neben dieser Besonderheit der finno-ugrischen Sprache des Landes „Natur pur“, und zwar alles von Meer und Inseln über endlose Wälder und Hügellandschaften bis hin zu Hochmooren und zahllosen Seen, erleben möchte, und wen Gastgeber mit einer zurückhaltenden aber trotzdem freundlichen Mentalität ansprechen, der ist in Estland genau richtig.

SSaaremaa ist die größte Insel Estlands und die viertgrößte der Ostsee. Sie liegt wie die meisten estnischen Inseln westlich des Festlandes. Pflanzenarten wie verschiedenste Orchideen und der Saaremaa-Klappertopf, der in den für Estland typischen Sumpfgebieten wächst, sind hier einzigartig und zahlreich, während die Tierwelt auf dem Festland ausgeprägter ist. Dennoch ist Saaremaa Heimatort von Robben und Hotel für Zugvögel. Das beliebte Ausflugsziel bietet aber nicht nur eine besondere Flora und Fauna sowie Wälder und idyllische Seen im Inneren der Insel sondern auch Steilküsten wie Panga Pank, die 20 Meter hochragt. Den kulturellen Höhepukt bildet die Stadt Kuressaare, welche auf Deutsch Arensburg heißt, ein Kur- und Badeort im Süden Saaremaas.

TTallinn ist die ca. 430.000 Einwohner umfassende Hauptstadt Estlands und befindet sich im Nordwesten des Landes am Finnischen Meerbusen. Drei Stunden fährt man die ca. 80 Kilometer mit der Fähre nach Helsinki, die Hauptstadt des nördlichen Nachbarn Finnlands. In Tallinn treffen verschiedene Kulturen aufeinander, was leicht an den verschiedenen Architekturen der Sehenswürdigkeiten zu erkennen ist. Im Laufe der Geschichte wurde sie von dänischen, deutschen, schwedischen und russischen Einflüssen und Herrschaften geprägt.

Die Küstenstadt erfüllt sämtliche Urlaubswünsche, egal ob Entspannen am Wasser und auf dem Strand, Zurückziehen in die umliegende Natur oder Shopping in den modernen Stadtvierteln mit Hochhäusern und Einkaufszentren. Auch Sightseeing kommt dank der sehr gut erhaltenen Altstadt nicht zu kurz. Domberg, Stadtmauer und Kadriorg, der Präsidentenpalast, mit Gartenanlage sind nur drei der Hingucker der größten Stadt Estlands.

L – Die traditionellen baltischen Liederfeste zählen nicht umsonst zu den Meisterwerken des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit der UNESCO. Die estnische Version „üldlaulupidu“ fand 1869 zum ersten Mal statt, und zwar in Tartu, der zweitgrößten Stadt Estlands. Die Zahl der teilnehmenden Gruppen, damals noch 51, wuchs rasant auf mehrere Hundert, die Teilnehmerzahl auf Tausende an. Die Liederfeste finden mittlerweile regelmäßig aller fünf Jahre in einer riesigen Location in Tallinn statt. 2014 kamen über 1.000 Gruppen und mehr als 33.000 Teilnehmer zum gemeinsamen Singen zusammen. Vom 5. bis zum 7. Juli 2019 geht die Veranstaltung, die nur das größte von vielen lokalen Sänger- und Tanzfesten in Estland ist, in die 27. Runde.

Auch sonst hat Estland musikalisch viel zu bieten. In die estnische Welt der Popmusik gibt der jährlich stattfindende Wettbewerb „Eesti Laul“, der estnische Vorentscheid für den Eurovision Song Contest, der europaweit einen sehr guten Ruf hat, den besten Einblick.

Ebenso beweisen Künstler wie Stig Rästa, Karl-Erik Taukar, Jüri Pootsmann, Liis Lemsalu, Elina Born oder Curly Strings, das man sowohl auf Englisch als auch Estnisch Musik mit definitiv internationalem Potential machen kann.

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A – Die pompöse Alexander-Newski-Kathedrale, die durchaus an die Basilius-Kathedrale in Moskau erinnert, ist eines der Wahrzeichen Tallinns und befindet sich auf dem Domberg der Stadt. Sie wurde Ende des 19. Jahrhunderts in der Zeit des Russischen Kaiserreiches im Gouvernement Estland erbaut. Nach einigen Jahren der Unabhängigkeit kam es zur erzwungenen Eingliederung Estlands in die Sowjetunion. Bis zur erneuten Unabhängigkeit des Landes 1991 wurden in Estland zum Schwächen der Nationalität des Volkes gezielt Russen angesiedelt. Auch heute sind noch etwa 25% der estnischen Bevölkerung russischstämmig. Die Kultur des Landes wird damit weiterhin von den Einflüssen des großen Nachbarn geprägt.

N – Nelis ist der Nachname des estnischen Fechters und Trainers Endel Nelis, der im 20. Jahrhundert lebte. Ein Teil seiner Lebensgeschichte wird in dem Film „Die Kinder des Fechters“, im Estnischen „Vehkleja“, einer finnisch-estnisch-deutschen Koproduktion dargestellt. Auf der Flucht vor der Geheimpolizei Stalins in den 1950er Jahren gerät Endel Nelis nach Haapsalu, wo er getarnt mit falschem Namen eine Stelle als Sportlehrer antritt. Mit der Zeit baut er eine Beziehung zu den oft vaterlosen Kindern auf, für die das Fechttraining und ihr Lehrer Nelis die entscheidende Stütze in der Nachkriegszeit bildet. Schließlich wird seine Fechtklasse zu einem Wettbewerb nach Leningrad eingeladen. Die Teilnahme wäre für die Kinder die Erfüllung eines großen Traums. Nelis steckt im Zwiespalt: Soll er das Risiko eingehen, bei dem Turnier aufgespürt und festgenommen zu werden oder seine Kinder enttäuschen? Der Ausgang der Story soll hier nicht verraten werden.

Der Film um die spannende und liebevolle Geschichte, der für einen Oscar und einen Golden Globe nominiert wurde, repräsentiert ganz nebenbei auch noch Nelis` Heimatland Estland auf eine wundervolle und treffende Weise, sowohl was die Natur und Baulichkeiten als auch die Menschen und deren Mentalität angeht.

Der Bahnhof in Haapsalu, ein wiederkehrendes Motiv des Films, ist heute ein Museum und hat mit 214 Metern den längsten überdachten Bahnsteig Europas.

D – Die Deutsch-Balten prägten die Kultur Estlands nicht weniger als die Russen. Die ab Ende des 12. Jahrhunderts mit der Deutschen Ostseesiedlung und der Eroberung des Baltikums eingewanderten Deutschen bildeten als deutschbaltisches Rittertum den Adel. Sie hatten großen politischen, kulturellen und sprachlichen Einfluss auf die Esten und die Letten, in dessen Gebieten sie sich durchsetzen konnten. So nahm die Bevölkerung zur Zeit der Reformation überwiegend den lutherischen Glauben an und es wurden entsprechende Kirchen gebaut. Eine, die evangelisch-lutherische Kirche in Rapla, ist die größte Landkirche Estlands. Die Deutsch-Balten konnten sich bis zum Auftauchen des Nationalgefühls der Esten und Letten gegen sie und bis zur etwa gleichzeitigen Russifizierung des Baltikums, Ende des 19. Jahrhunderts behaupten.

Darauf war die deutschbaltische Bevölkerung zwar weiterhin in Estland und Lettland ansässig und auch als sie die Länder nach dem Ersten Weltkrieg gegenüber Deutschland verrieten, wurde ihnen das Bleiben gewährt. Dennoch emigrierten immer mehr von ihnen nach Deutschland. Spätestens der 1939 abgeschlossene Deutsch-sowjetische-Nichtangriffspakt bedeutete das mehr oder weniger erzwungene Übersiedeln der verbliebenen Deutsch-Balten nach Deutschland, da sie von den Nationalsozialisten als „rassisch wertvoll“ betrachtet wurden.

Heute besteht sowohl seitens der Deutschbalten als auch der baltischen Bevölkerung das Interesse, die geschichtlichen und kulturellen Verbindungen wieder aufleben zu lassen. Gleichzeitig bildet sich eine sehr kleine, aber vorhandene neue Generation von Deutschen im Baltikum, auch in Estland heraus, die dort zum Beispiel ihres Jobs wegen ansässig sind.

Ein Dankeschön gilt Kristina aus Estland, die SZ-News exklusive Einblicke in die Feierlichkeiten in Estland und auch in das Land selbst in Form von Fotos und Informationen möglich gemacht hat.

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